Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Immobilienverkäufer ihre Aufklärungspflicht nicht bereits vollumfänglich erfüllen, indem sie den Käufern Zugriff auf einen Datenraum mit Unterlagen und Informationen zu der Immobilie gewähren.
Im vorliegenden Fall hatte die Käuferin mehrerer Gewerbeeinheiten in einem großen Gebäudekomplex geklagt, weil sie sich arglistig getäuscht fühlte. Die Verkäuferin der Immobilien hatte versichert, dass keine Beschlüsse gefasst seien, bezüglich einer kostspieligen Sanierung des Gemeinschaftseigentums. Lediglich eine Dachsanierung mit wirtschaftlichen Auswirkungen von 5.600 EUR jährlich sei beschlossen.
Die Klägerin erhielt von der Verkäuferin Zugriff auf einen virtuellen Datenraum, der verschiedene Unterlagen zu dem Kaufobjekt enthielt. Das maßgebliche Protokoll zu einer wichtigen Eigentümerversammlung hatte die Verkäuferin erst drei Tage vor Beurkundung des Kaufvertrags in den digitalen Datenraum gestellt, an einem Freitag, dem letzten Arbeitstag vor der geplanten Beurkundung und ohne weiteren Hinweis etwa per E-Mail. Aus dem Protokoll ergab sich eine Sonderumlage von zunächst 750.000 EUR und bei Bedarf bis zu 50 Millionen EUR für Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen.
Der BGH entschied zu Gunsten der Käuferin, dass die Verkäuferin ungefragt über den Kostenumfang einer Sanierung hätte aufklären müssen. Es genüge nicht, das Protokoll kurz vor Beurkundung des Kaufvertrags in den Datenraum einzustellen. Die Käuferin hätte darüber hinaus einen ausdrücklichen Hinweis auf die hohen Sanierungskosten erwarten dürfen. Solange die geplanten baulichen Maßnahmen nicht umgesetzt und bezahlt waren, bestand für die Klägerin als künftige Eigentümerin mehrerer Gewerbeeinheiten die konkrete Gefahr, dass die hierfür anfallenden Kosten anteilig von ihr getragen werden müssen.
Die für den Käufer bestehende Möglichkeit, sich die Kenntnis von dem offenbarungspflichtigen Umstand selbst zu verschaffen, schließt die Pflicht des Verkäufers zur Offenbarung nicht von vornherein aus. So darf ein verständiger und redlicher Verkäufer zwar davon ausgehen, dass bei einer Besichtigung ohne weiteres erkennbare Mängel auch dem Käufer ins Auge springen werden und deshalb eine gesonderte Aufklärung nicht erforderlich ist. Konstellationen, in denen dem Käufer auf andere Weise die Möglichkeit gegeben wird, sich die Kenntnis selbst zu verschaffen, stehen der Besichtigungsmöglichkeit aber nicht ohne weiteres gleich. Mit Blick auf übergebene Unterlagen ist eine Gleichstellung nur dann gerechtfertigt, wenn ein Verkäufer aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer die Unterlagen nicht nur zum Zweck allgemeiner Information, sondern unter einem bestimmten Gesichtspunkt gezielt durchsehen wird. Solche Umstände liegen etwa vor, wenn der Verkäufer dem Käufer im Zusammenhang mit möglichen Mängeln ein Sachverständigengutachten überreicht. Dagegen kann ein Verkäufer nicht ohne weiteres erwarten, dass der Käufer Finanzierungsunterlagen oder einen ihm übergebenen Ordner mit Unterlagen zu dem Kaufobjekt auf Mängel des Kaufobjekts durchsehen wird. Das gilt gleichermaßen, wenn es nicht um einen offenbarungspflichtigen Mangel, sondern um einen anderen offenbarungspflichtigen Umstand geht, etwa – wie hier – um die aus einer ausstehenden Sanierungsmaßnahme drohende Kostenlast für den Käufer.
Quelle: BGH